Daumen drücken!
Der Werkstattchef meiner Peugeotgarage hat mich heute morgen gefragt ob ich Ire sei (obschon ich inzwischen Franzose bin ist mein Französisch offenbar immer noch nicht akzentfrei…). Iren würden heute nicht bedient, wegen dem Barrage-Fussballmatch heute abend France-Ireland. Wenn die Iren verlieren, was er natürlich hoffe, würde er morgen ihre Autos gratis reparieren! „Je suis de nationalité suisse“ sagte ich in meinem nicht ganz akzentfreien français fédéral. „Alors c’est bon, des Suisse on a rien a craindre du foot, seulement un peu de leur secrt bancaire…“. Ich protestiere energisch und sage (nicht ohne Stolz), dass „unsere“ Junioren vor drei Tagen Weltmeister geworden sind! Das wusste er natürlich nicht und war auch nicht besonders beeindruckt. Dass das Schweizer Bankgeheimnis auch nicht mehr ist, was es einmal war, wusste er auch nicht, aber wichtig ist jetzt, dass sich Frankreich heute abend für die Fussballweltmeisterschaft qualifiziert.
Ich werde die Daumen drücken, schliesslich bin ich Doppelbürger.
Und von der Schweiz erwarte ich, dass sie als Dank für die tolle Leistung der Secondos in der U17-Nationalmannschaft endlich alle in der Schweiz geborenen einbürgert und generell ihre strenge Einbürgerungspraxis zum Beispiel ihrem Nachbar im Westen angleicht…
23:36 Ouffff! Geschafft! Zugegeben, die Irländer waren besser und das Siegertor des Bleus nicht über alle Zweifel erhaben… Der Garagist hat morgen allen Grund den Iren ein Geschenk zu machen!
Cantabria
Kantabrien liegt am Golf von Biskaya, an der Nordküste Spaniens. Wir machen Halt in Castro-Urdiales, einem kleinen spanischen Städchen. Hier sind die Spanier noch unter sich. Es gibt kaum Hotels, dafür viele Bars mit von Tapas überfüllten Tresen, vino tinto, Motorräder, Kinderwagen… Das Leben spielt sich auch im November draussen ab, an der Strandmeile, in den engen Gassen vor den Bars, in Hinterhöfen, am Hafen…. Südländische, spanische Lebensqualität!
Biarritz
In Biarritz treffen sich die Surfer und die Rentner dieser Welt. Die Surfer, weil es immer so gigantische Wellen hat und die Rentner, weil der Golfstrom dafür sorgt, dass es auch im Winter angenehm warm ist (zur Zeit 20 Grad). Wir gehören zu keiner der beiden Kategorien aber wir wollen hin und wieder das Meer sehen…
Bei Tag…
…am Abend…
…und bei Nacht!
Weihnachtsdekoration
Das comité de fête hat zu einer Sitzung eingeladen, um die Weihnachtsdekoration zu besprechen. Stephanie ging extra hin, um zu verhindern, dass überall im Dorf Weihnachtsmänner und Plastikpäckli aufgehängt werden. Heim kam sie dann mit der Kasse des comité und dem Auftrag, das Material für die Dekoration zu besorgen. Beschlossen wurde: an zwei Sonntagen werden mit den Dorfkindern Päckli und goldene Tannzapfen für alle Bäume auf dem Dorfplatz gebastelt. Das ist eben Demokratie. Immerhin sollen es nur kleine Päckli sein (Milch-Tetra-Brik) und in maximal zwei Farben Eine Rechenaufgabe, die wir jetzt noch zu lösen haben: wie viel Papier und Geschenkband etc. muss gekauft werden für ca. 6 Zypressen und 1 Brombeerbaum?
Und einen Weihnachtsmann wird es auch noch geben, aber darum werden sich andere kümmern – Integration hat ja auch Grenzen.
11 novembre
Der 11. November ist in Frankreich ein Feiertag. In jeder Gemeinde werden in Gedenken an den Waffenstillstand 1918, der den verlustreichen 1. Weltkrieg beendete, Blumen und Kränze niedergelegt. In jeder noch so kleinen Gemeinde Frankreichs steht auf dem Dorfplatz ein Gedenkstein mit den Namen derer, die im ersten Weltkrieg umgekommen sind: Mort pour la France.
Nicht weniger als 1,4 Millionen Tote, vor allem junge Männer, hatte Frankreich damals zu beklagen. In vielen Dörfern lebten danach nur noch alte Leute, Frauen und wenige Kinder. Es gibt auch Dörfer, die sich danach nie mehr richtig erholt haben, obschon später eine eigentliche Einwanderungsbewegung aus dem Ausland (auch aus der Schweiz), eingesetzt hat. Der heute noch existierende Auslandschweizerverein in der Gascogne stammt aus dieser Zeit.
Bei uns in Traversères (65 Einwohner) hat der Maire Jean-Michel Liares in einer kurzen Rede auf dem Dorfplatz der Toten gedacht: „la mémoire se transmet, l’espoir se donne“.
Im salle de fêtes wurde anschliessend der Gemeindebevölkerung ein Ehrenwein kredenzt.
Mauerfall
Ganz Europa feiert den 20. Jahrestag des Mauerfalls – nur nicht die Schweiz. Über zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs waren für das gestrige Fest der Freiheit eigens nach Berlin gereist. Es fehlte ein offizieller Vertreter von Bern. Grund: Die Schweizer haben gar keine Einladung erhalten.
Dies sei eine «Frage des Formats», hiess es dazu im Bundeskanzleramt. Man habe die Teilnehmer des sogenannten Viermächteabkommens – die USA, Russland, Frankreich und Grossbritannien – sowie sämtliche EU-Mitgliedsstaaten eingeladen. «Wir sind Teil eines vereinten Europas, die Schweiz gehört da leider nicht dazu», so ein Sprecher.
Französische Justiz
Die französische Justiz legt grossen Wert darauf, ihre gänzliche Unabhängigkeit von den Staatsorganen immer wieder unter Beweis zu stellen.
Zurzeit zumindest müssen viele früheren hohen Tiere der französischen Politik auf der Anklagebank Platz nehmen:
Jaques Chirac, ehemaliger Staatschef muss sich demnächst gegen Vorwürfe verteidigen, er habe vor mehr als 20 Jahren (!), als er noch Maire von Paris war, einzelne seiner MitarbeiterInnen für die Partei, statt für die Stadt arbeiten lassen… In der Miliz-Schweiz würde das wahrscheinlich unter Kavaliersdelikt eingereit und wäre zumindest seit langem verjährt!
Charles Pasqua, ehemals Innenminister, wurde vor zwei Wochen von einem französischen Gericht zu einem Jahr Gefängnis unbedingt verurteilt, wegen seiner Rolle in einem dubiosen Waffenexportgeschäft nach Angola. Ob in der Schweiz mit ihrem Waffenexportgeschäften immer alles mit rechten Dingen zugegangen ist?
Dominique de Villepin, ehemals Premierminister, stand jetzt während Wochen vor den Richtern, weil ihm vorgeworfen wird, er habe in der sog. Affäre Clearstream von einer gefälschten Liste mit dem Namen seines Konkurrenten Nicolas Sarkozy gewusst, und nichts dagegen unternommen… Das Urteil wird im Januar erwartet.
Frankreich ist ein Rechtsstaat. Es herrscht Gewaltentrennung und alle sind vor dem Gesetz gleich. Das ist gut so. Angesichts der Publizität und dem Riesenaufwand der mit diesen Prozessen einhergeht, beschleicht einem aber auch manchmal das Gefühl, es handle sich um ein teures Schaulaufen der besten Anwälte…
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