Zum Beispiel Suberg
Simon Baumann lebt in Suberg. Seit seiner Geburt. Seit 31 Jahren.
Suberg ist nicht gross. Suberg ist ein Dorf. Suberg ist nicht einmal mehr eine eigenständige Gemeinde. Man könnte meinen, Simon Baumann kennt in Suberg jeden anderen Einwohner, zumal der Filmemacher bekannte Eltern hat. Das Ehepaar Baumann war früher Mitglied im Nationalrat.
Dem ist aber nicht so. Simon Baumann bekennt: «Ich kenne Leute, die bloss 100 Meter von mir entfernt wohnen, nicht.» Seine Freunde hat er zumeist durch das Filmemachen kennengelernt, sie leben heute in Bern, Zürich, wenn nicht gar in Berlin. Baumann hat sich einen anonymen, urbanen Lebensstil angeeignet, obwohl er mitten auf dem Land zuhause ist. Baumann musste sich eingestehen: Er weiss kaum etwas über das Dorf, in dem er zuhause ist.
Suche nach den Gründen
Hier setzt sein geplanter Dokumentarfilm an. Er heisst «Zum Beispiel Suberg». Mit diesem und in diesem will er nicht nur die Bewohner seines Dorfes kennenlernen, er will auch ergründen, warum Suberg zu dem geworden ist, was es ist: Vom Bauerndorf zur Schlafgemeinde, ein Agglomerations-Vorort zwischen Bern und Biel, ohne eigentliches Zentrum, mit einem kaum mehr existierenden Dorfleben – der Männerchor etwa kämpft mit argen Nachwuchsproblemen. Es gebe kaum mehr Orte für soziale Kontakte, konstatiert der Filmemacher.
«Suberg ist nichts Spezielles», sagt Simon Baumann, «aber gerade das macht es spannend: Dass es so ist wie andere Dörfer.» Er sieht den Ort exemplarisch für die Entwicklung im Schweizer Mittelland, macht an dieser gar Geschichtspunkte der Globalisierung fest. Im Exposé zum Dokumentarfilm schreibt er zum Schluss: «Man sagt, die Welt sei ein Dorf geworden. Nehmen wir für einen Moment an, dieses Dorf heisse zum Beispiel Suberg. Dann können wir hier die ganze Welt sehen.»
Dieses Exposé hat Baumann dem Migros Kulturprozent eingereicht – mit Erfolg. Im zweistufigen Dokumentarfilm-Wettbewerb zum Thema «Lebenswelten – miteinaner leben» wurde das Projekt zusammen mit vier weiteren ausgezeichnet. Baumann erhält einen Finanzierungsbeitrag von 15 000 Franken. Damit kann er innerhalb der nächsten drei Monate ein produktionsreifes Dossier erstellen. Eine internationale Jury kürt unter den fünf ausgewählten Projekten schliesslich den Gewinner, dessen Film schliesslich finanziert wird und an Festivals wie in Kinos gezeigt werden soll.
Das bedeutet Arbeit für Baumann, zumal er mit seinem Partner Andreas Pfiffner von der Ton und Bild GmbH zurzeit auch ein anderes Projekt verfolgt: «Imageproblem» ist ein satirischer, aber subtiler Film, der gemäss Baumann «das Image der Schweiz in der Welt» aufpolieren soll – satirisch gemeint, wohlverstanden. Im Stile Michael Moores begeben sich Baumann und Pfiffner in reale helvetische Situationen und legen darin die Komik und das satirische Potenzial frei.
Quellen gesucht
Für «Zum Beispiel Suberg» ist Baumann auch auf Hilfe angewiesen. Er sucht bei den Bewohnern Material zur Geschichte Subergs, das er für den Film verwenden kann. Bis September will er möglichst viel sammeln, sollte der Film realisiert werden, würden die verwendeten Quellen honoriert.
Die Dreharbeiten würden im Frühling nächstes Jahr beginnen, Baumann würde sich stark selber einbringen und hat vor, dem Männerchor beizutreten. «Ich meine es ernst», sagt der Filmemacher, «ich habe allen Respekt vor den Leuten im Dorf.» Dem Dorf, das zum Beispiel Suberg heisst.
(Text und Bild aus Bieler Tagblatt vom 21. August 2010)
leave a comment