AUSWANDERERBLOG

Nationalrat

Posted in Politik by ruedibaumann on März 19, 2007

„Politik ist ein anstrengendes Geschäft. Im Bundeshaus wird, entgegen der öffentlichen Meinung, viel und hart gearbeitet. Die Aktenberge, durch die sich die Bundesparlamentarier täglich kämpfen sollten, sind beachtlich. Weil gar nicht alles zu bewältigen ist, kommt ein latent schlechtes Gewissen hinzu. Dies oder jenes sollte noch aufgearbeitet werden, die Kantonalsektion darf nicht vernachlässigt werden, die vielen schriftlichen Anfragen sollten alle rechtzeitig beantwortet werden und so weiter. Zudem steht jede und jeder unter dem Druck, ständig um öffentliche Aufmerksamkeit zu buhlen. Es zählt wenig, als stiller Schaffer in den Kommissionen zu wirken, wenn die Öffentlichkeit keine Notiz davon nimmt. In einem Gremium von 200 engagierten Menschen, die alle darauf bedacht sind, öffentlich möglichst stark und positiv wahrgenommen zu werden, ist es ausgesprochen schwierig, sich zu profilieren.
Die Medienvertreter spielen dabei natürlich die entscheidende Rolle und das ist allen auch vollkommen bewusst. Fernsehkameras und Fotografen ziehen Parlamentsabgeordnete an wie das Licht die Motten. Viele sind wenig wählerisch, wenn es darum geht, sich ins rechte Licht zu rücken und sie scheuen nicht davor zurück, dem Journalisten genau die Antwort zu liefern, die er hören will, auch wenn sie haarscharf an der Wahrheit vorbeigeht. Ein Bild wiegt mehr als tausend Worte, heisst es, bewegte Bilder wiegen also zehntausend und noch mehr Worte. Aber auch das Drängeln auf die Rednertribüne ist enorm. In grossen Fraktionen braucht es da schon sehr viel Ellenbogeneinsatz, um bei einem wichtigen Geschäft als Fraktionssprecher amtieren zu dürfen. Wenn man im Nationalratssaal ausnahmsweise einmal Zeit hat, aufmerksam zuzuhören, dann stellt man fest, dass sehr viel Gescheites gesagt wird, natürlich auch viel Unsinn, aber in der Regel ist beides sehr gut vorbereitet.“

Das und noch viel mehr steht in meinem Buch Bauernland. Erhältlich in allen Buchhandlungen.

Das war 1994….. wie schnell die Zeit vergeht!

Tagesanzeiger, 1994