Bieler Tagblatt: Martin Bühler als Pilger in der France profonde
Lieber Martin Bühler
Warum so negativ? In der France profonde lässt es sich gut leben und arbeiten. Natürlich gibt es diese Haltung von „denen da oben, die in Paris“ usw., aber das ist in der Schweiz ja nicht anders. Nach einem Viertel Jahrhundert leben und arbeiten in der Gascogne können wir uns wirklich nicht beklagen:
Die kleinen Dörfer funktionieren, die Natur ist intakt, die Versorgung durch die Wochenmärkte gewährleistet, das Maison de Santé und das Regionalspital funktionieren gut, die regionalen Tagesschulen betreuen die Kinder hervorragend, das politische Leben mit Stimmbeteiligung von über 70% ist rege.
Wer will kann hier günstig ein Haus bauen, über 80% wohnen in den eigenen vier Wänden. Wer als agricultrice oder agriculteur leben will kann das tun: Kulturland kostet zehn mal weniger als in der Schweiz, die Beiträge der EU (PAC, politique agricole commune) sind grosszügig.
Dass es kein kirchliches Personal mehr gibt, empfinden wir als Vorteil, die strikte Trennung von Kirche und Staat ist im Gegensatz zur Schweiz völlig unbestritten. Kirchen werden aus denkmalpflegerischen Gründen erhalten und kulturell genutzt.
Natürlich ist in diesen dünn besiedelten Gegenden der öffentliche Verkehr praktisch inexistent, das Auto und neuerdings E-Bikes unabdingbar. Für den sanften Tourismus gibt es zunehmend malerische Velorouten.
Dass hier auf dem Land die rechtsextreme Marine Le Pen gewählt wird kann ich so nicht bestätigen. Die Französinnen und Franzosen lieben es bei den (unwichtigen) ersten Wahlgängen „denen da oben“ eins auszuwischen, in den entscheidenden zweiten Wahlgängen wird aber seriös gewählt: unser rurales Departement Gers delegiert seit Jahrzehnten zwei Députés nach Paris, einen Sozialisten und einen Zentristen (Macron). Nur nebenbei, vergleiche ich Frankreich politisch mit der Schweiz: die von einer Milliardärsfamilie geführte und finanzierte grösste Partei der Schweiz ist prominent in der Regierung vertreten, hat diverse verurteilte Rassisten in ihren Reihen und positioniert sich rechts vom Rassemblement National….
Vive la France et vive la République!
Ruedi Baumann
Lieber Ruedi,
Dein Loblied auf Frankreich ist ja nett, aber das Elektrovelo als Alternative zum öffentlichen Verkehrsmittel ? Als Zyniker sehe ich vorab , wie viel Geld die AHV dank diesen „Bikes“ spart.
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Ich kann das nur bestätigen und lebe seit einigen Jahren im Südburgund.
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