Sanfte Landwirtschaft
Sanfte Landwirtschaft (Kolumne im heutigen Bieler Tagblatt)
Wir bauern jetzt bald zwanzig Jahre in der Gascogne. Und in dieser Zeit haben wir noch kein Kilogramm Handelsdünger auf unseren Feldern ausgebracht, kein Gramm Pestizid verspritzt. Wir produzieren biologisch und lassen unseren Betrieb durch die französische Kontrollorganisation zertifizieren. Die Erträge sind allerdings nicht rekordverdächtig. Dafür wohnen in unseren Wiesen und Hecken Kiebitze, Kuckucke, Schleiereulen, Milane, Mäusebussarde, Lerchen, Pirole, Wiedehopfe, Rebhühner, Fasane und viele andere Vögel. Offenbar wirkt diese sanfte Landwirtschaft ansteckend, denn in der Gegend gibt es jetzt viel mehr Biobauern als noch vor zwanzig Jahren, bald mal sind es 20%!
Wir fragen uns immer wieder, warum der Biolandbau im Berner Seeland einen so schweren Stand hat. Warum wehren sich Bauern für den Einsatz von Totalherbiziden, die nachweislich im Grundwasser landen und im Feldbau zu unüberwindbaren Resistenzproblem führen? Warum wollen Bauern um alles in der Welt mehr Nutztiere auf ihrem Hof halten, als sie Futter für diese produzieren können? Ist es wirklich so wichtig, einige zusätzliche Zentner Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben oder Mais zu ernten und damit in Kauf zu nehmen, dass unser Trinkwasser verseucht wird? Ist es richtig, das Futter für die Fleisch- und Milchproduktion aus dem Ausland, sogar aus Übersee zu importieren?
Natürlich wird man hier wie dort argumentieren, der wirtschaftliche Druck zwinge die Landwirte, immer mehr zu produzieren. Aber stimmt das überhaupt? Bekanntlich stammt etwa die Hälfte der bäuerlichen Einkommen in der Schweiz aus Direktzahlungen vom Staat. Rund 50’000 Schweizerfranken im Durchschnitt pro Betrieb.
Kürzlich wurde eine Volksinitiative mit einem intelligenten Lösungsansatz eingereicht: Die Trinkwasserinitiative will, dass Direktzahlungen an Bauern nur noch ausbezahlt werden, wenn sie auf den Pestizideinsatz verzichten und der Tierbestand auf die betriebseigene Futterbasis beschränken. Eigentlich logisch, dass Steuerzahler nicht mehr für die Verschmutzung des eigenen Trinkwassers bezahlen wollen!
Wir haben gelesen, dass der Schweizerische Bauernverband die Trinkwasserinitiative einstimmig ablehne! „Geits no?“ fragen wir uns da augenreibend. Ist es wirklich Sache des Bauernverbandes, den Chemiemultis und Futtermittelimporteuren die Kohlen aus dem Feuer zu holen? Endlich könnte die Schweiz der Europäischen Union zeigen, dass die sanfte Landwirtschaft, der biologische Landbau, die Produktion in der Region für die Region eine Zukunftsvision ist. Es geht um die Glaubwürdigkeit des schweizerischen Bauernstandes!
Ruedi und Stephanie Baumann
leave a comment