Erntezeit
Kolumne im heutigen Bieler Tagblatt
Die Felder sind abgeerntet, fünfzehn Tonnen Bio- Sonnenblumenkerne und ein Container Kichererbsen haben wir an die Genossenschaft abgeliefert und die Pflanzenreste in den Ackerboden eingearbeitet. In den nächsten Wochen werden wir schon wieder Getreide aussäen. Säen, pflegen, ernten – alle Jahre wieder.
Wir bewirtschaften im sonnigen Südwesten Frankreichs 70 Hektaren Boden. Für schweizerische Verhältnisse wäre das ein sehr grosser Landwirtschaftsbetrieb, hier in der Gascogne ist es allerhöchstens Durchschnitt. Wir haben in den letzten siebzehn Jahren die verschiedensten Ackerkulturen angebaut: Brot- und Futtergetreide, Triticale, Ackerbohnen, Kichererbsen, Sonnenblumen und Luzerne.
Die Böden sind ton- und kalkreich, zum Teil auch flachgründig und steinig: Für Kartoffelanbau oder gar Zuckerrüben, wie im Berner Seeland, sind sie völlig ungeeignet. Körnermais und Soja gedeihen gut, falls die Kulturen regelmässig bewässert werden können, denn die Niederschläge sind rar und die Sommer heiss, ideale Bedingungen für unsere Photovoltaik-Anlage. Eine Augenweide sind unsere Naturwiesen mit nicht weniger als 28 verschiedenen wild wachsenden Orchideenarten! Das spärliche Naturwiesenheu verkaufen wir an benachbarte Landwirte und Pferdehalter.
Wir haben bewusst keine Tiere auf unserer Ferme, um möglichst unabhängig zu sein und hin und wieder auch Auslandfereien und Besuche in der Schweiz machen zu können. Angestellte zu beschäftigen, liegt bei unserer Betriebsgrösse aus Kostengründen schlicht nicht drin.
Natürlich versorgen wir uns soweit möglich selber mit Gemüse aus dem Garten und Früchten und Nüssen von unsern Bäumen. Mit 500 selbst gepflanzten Rebstöcken versuchen wir, einen eigenen Cuvée de garage zu produzieren, schliesslich ist das weltberühmte Bordelais nicht weit! Und die örtliche Jagdgesellschaft sorgt für das dazu passende Wild: Rehrücken und Wildschweinbraten werden regelmässig an die örtlichen Bauern verteilt.
Ein Leben wie Gott in Frankreich?
Nun ja, auch hier gibt es Probleme. Auf vielen abgelegenen Höfen fehlen die Betriebsnachfolger. Die Produktepreise sind tief und die Gewinnmargen für bäuerliche Famileinbetriebe sehr eng. Kein Wunder, dass die Höfe immer grösser werden: 200 bis 300 Hektaren grosse Betriebe sind keine Seltenheit mehr. Dieser Strukturwandel wirkt sich auch auf die ohnehin kleinen Dörfer aus. Sie leiden unter Überalterung und Abwanderung, örtliche Restaurants und kleine Gewerbebetriebe müssen schliessen. Die Distanzen zu den Schulen und Versorgungszentren werden grösser. Angesichts der spärlichen öffentlichen Verkehrsmittel geht ohne eigenes Auto gar nichts mehr!
Und trotzdem: Frankreich ist vielfätig, aufregend, einfach grandios!
Ruedi und Stephanie Baumann
PS: Fotos zum Thema auf auswandererblog.ch
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