Bauer mit Migrationshintergrund
Bauer mit Migrationshintergrund
Kolumne im heutigen Bieler Tagblatt
Ich stand mit meinem fünfeinhalb Tonnen schweren, 120 PS starken Massey-Ferguson Traktor vor einer Rotlichtampel mitten im Städtchen Auch. Es ging weder vorwärts noch rückwärts. Die Ampel hatte schon mehrmals von rot auf grün gewechselt, aber mein Traktor bewegte sich nicht. Keinen Zentimeter. Hinter mir hatte sich bereits eine lange Autoschlange gebildet, da an dieser engen Stelle bei regem Gegenverkehr an Überholen nicht zu denken ist. Ich kletterte vom hohen Traktor herunter und bat die wartenden, sich zunehmend nervenden Autofahrer, mir zu helfen den Koloss mit vereinten Kräften auf das schmale Trottoir zu schieben. Weil der Randstein zu hoch war, schafften wir es nicht. Es bleibe mir wohl nichts anderes übrig, als auf Polizei und Abschleppdienst zu warten, erklärte ich den ungläubig kopfschüttelnden Automobilisten. Weiter hinten in der wartenden Kolonne ging ein wütendes Hupkonzert los.
Zugegeben, es ist schwer verständlich, wenn ein Landwirtschaftstraktor mit laufendem Motor keine Bewegung mehr machen will. Ich konnte mir ja auch nicht erklären, weshalb mein Traktor in letzter Zeit nach einem kurzen Halt auf dem Feld plötzlich nicht mehr weiter fahren wollte. Aber inzwischen sind halt auch Landmaschinen mit Elektronik vollgestopft. Und die ist manchmal etwas störrisch. Genau deswegen hatte ich mich entschlossen, meinen MF in die 60 Kilometer weit entfernte Werkstatt zu bringen. Auf diesem Weg musste ich wohl oder übel unsere Provinzstadt durchqueren.
Das Hupkonzert wurde immer lauter, mein Traktor brummte, die Warnleuchte auf dem Dach drehte sich munter blinkend, und die umstehenden Leute fragten sich, warum dieser bärtige, nicht ganz akzentfrei sprechende alte Bauer nicht endlich weiter fuhr und den Weg frei gab.
Nach wiederholtem Versuch erbarmte sich die Elektronik meiner und beschloss, wieder zu funktionieren. Der Traktor setzte sich langsam in Bewegung, während die umstehenden Leute mit dem Zeigefinger an ihre Stirn tippten. Was will denn dieser doofe Bauer mit seinem Traktor in der Stadt, wenn er nicht einmal fahren kann?
Es hat dann auch in der Werkstatt noch einige Zeit gedauert, bis sie den Elektronikschaden beheben konnten, und auch das nur mit Hilfe eines Diagnosecomputers. Gekostet hat das Ersatzteil über 700 Euros. Aber seither läuft mein MF wieder wie ein Schweizer Uhrwerk. Ich habe dem jungen Landmaschinenmechaniker, der den geheimnissvollen Schaden ausfindig machte, eine grosse Schachtel Schweizer Pralinen gebracht.
Ruedi und Stephanie Baumann
(Symbolbild)
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