Aufstand von unten
Kolumne von Rudolf Strahm im Berner Bund vom 27. Dezember 2018
Mein Kommentar:
Lieber Ruedi Strahm
Deine Kolumne „Aufstand von unten“ spricht offensichtlich in der Schweiz viele Menschen an, wie ich den zahlreichen online Kommentaren entnehme.
Ich habe meine liebe Mühe mit einigen deiner Aussagen. Du sprichst von drei Aufstandsmotiven:
Erstens: Abwehr gegen die Migration. Du zeigst offen Verständnis für die Populisten wegen den Folgen für unsere Gesellschaft, wenn „die Zuwanderung aus dem arabischen Raum und aus Afrika unvermindert weitergeht“.
Sicher weißt du, dass gerade mal 4.7% aller Migranten in der Schweiz aus diesem Raum kommen! Tönt es jetzt nicht wie zu Schwarzenbachs Zeiten mit „all’ den Italienern“? Was hat es der Schweiz gebracht? Überfremdung? Mitnichten, es kamen Menschen, etwas südländische Lebensfreude, viel wirtschaftlicher Aufschwung von dem die Schweiz noch heute profitiert! Es kann auch schäbig sein, den Rassismus nicht als Rassismus zu bezeichnen!
Zweitens: die Abstiegsängste unterer Bildungsschichten. Kann ja sein, dass sich viele über 50jährige vor der Globalisierung fürchten und dafür vor allem die Personenfreizügigkeit der EU verantwortlich machen. Aber was wäre die Schweiz ohne die Personenfreizügigkeit? Vielleicht wäre es hilfreich, diesen Wert der internationalen Zusammenarbeit den Wutbürgern in Erinnerung zu rufen, welche eben gerade wegen dieser Zusammenarbeit und dank der EU zu „traditionellen Leistungsträgern“ werden konnten.
Drittens die Identitätsfrage und die Sprache der Eliten, die „weniger Sprachgewandte nachhaltig verletzt“. Ähnliches hört man auch von den Gilets jaunes hier in Frankreich. Angefangen hat ihr Protest gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Überlandstrassen, dann gegen die Oekosteuern, schliesslich gegen Macron und die Politikschickeria in Paris. Erstaunlicherweise wurde ja gerade hier erst vor einem Jahr das halbe Politestablishment ausgewechselt…. Jetzt ist eine Hauptforderung die Einführung des Initiativ- und Referendumsrechtes nach schweizerischem Vorbild.
Die Anhänger der Populistenführer ernst nehmen ist das eine, das andere wäre, die Errungenschaften der westlichen Demokratien, die Gewaltenteilung, den Rechtsstaat und jawohl auch europäische Zusammenarbeit im Rahmen der EU nicht nur zu kritisieren sondern auch zu verteidigen.
Mit freundlichen Grüssen
Ruedi Baumann, emigrierter Schweizer Bauer in Frankreich
Herzlichen Dank für Deine klaren Worte,lieber Ruedi.
Besser jetzt das Notwendige sagen,als gute Vorsätze fürs neue Jahr.
Heute geht mir den ganzen Tag ein Satz von Martin Niemoeller durch den Kopf,weil die Populisten wüten!
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