L’Orchidée de Traversères
Kolumne im heutigen Bieler Tagblatt: L’Orchidée de Traversères
Die Ackerböden in der Gascogne sind hart, kalk- und tonreich. Manchmal auch flachgründig und steinig. Agronomisch gesehen keine Gunstlagen für Spitzenerträge, allerdings dank viel Sonne bei genügend Niederschlägen oder Bewässerung geeignet für Getreide, Körnermais, Soja, Ackerbohnen, Sonnenblumen, Kichererbsen, Luzerne…
Wir produzieren nach den Vorschriften des biologischen Landbaus ohne Hilfsstoffe und ohne Handelsdünger. Die Naturwiesen auf den kargen Hügeln sind artenreich und lassen Biodiversitätsfanatiker jubeln: Margeriten, Gladiolen, Wiesen-Lein, Sommerwurz, schopfige Bisamhyazinthen, Klappertopf, Kugelblumen und – wilde Orchideen, so weit das Auge reicht.
Orchideenwiesen, wie man sie in der Schweiz nur noch vereinzelt auf Alpweiden findet, sind inzwischen zu unserem Markenzeichen geworden: Nicht weniger als achtundzwanzig verschiedene Arten wachsen und blühen im Laufe des Jahres auf unseren Feldern. Dabei hat alles so harmlos angefangen:
Die Bäuerin hat mithilfe eines Pflanzenbestimmungsbuches mehr und mehr Orchideen gefunden, und den Bauern darauf aufmerksam gemacht, dass Heu nicht mehr früh geschnitten werden darf, und dass um seltene Exemplare herum mit dem Traktor ein grosser Bogen gemacht werden muss! Die Bäuerin entdeckte sogar eine besonders schöne Orchidee, welche in keinem Buch zu finden war. Experten haben die Entdeckung als eine in der Literatur noch nicht bekannte Hybridpflanze bezeichnet und empfohlen, eine Beschreibung dieser Orchidee in der einschlägigen wissenschaftlichen Fachliteratur zu publizieren, was inzwischen erfolgte, so dass die neu benamste Blume in die internationale Pflanzenliste aufgenommen werden konnte. Ein Bild der Orchidée de Traversères schmückt jetzt sowohl das Ratszimmer unserer kleinen Wohngemeinde wie auch deren Homepage.
Dutzende interessierte Orchideenliebhaber aus ganz Frankreich und der Schweiz tummeln sich jedes Jahr mit ihren grossen Fotoapparaten auf unseren Wiesen, um die Blumenpracht in Bildern festzuhalten. Wer die Wunderorchidee von zu Hause aus im Bild sehen will, muss auf unserem auswandererblog.ch im Kapitel Orchideen halt ein wenig suchen.
Dieses Jahr hat allerdings die lang anhaltende Trockenheit und ein Spätfrost den Orchideen stark zugesetzt. Alle sieben bisher gefundenen Exemplare der Orchidée de Traversères sind bereits im Blattstadium verkümmert und wollen nicht blühen. Die Suche geht jedoch weiter. Vielleicht findet sich irgendwo an einem schattigen Plätzchen doch noch ein einzelnes Pflänzchen.
Stephanie und Ruedi Baumann
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